Globalisierung und Armut: Kreissynode Braunfels  in Burgsolms

 

 

Segbers: “Die Armen sind der Maßstab“
Ein großes Thema mit intensivster Vorbereitungszeit hatte sich die Braunfelser Synode mit „Globalisierung und Armut“ auf ihre schon umfangreiche normale Tagesordnung gesetzt. Bereits im Gottesdienst bezogen sich Pfarrer Ulrich Ries (Katzenfurt) in seiner Predigt sowie die ökumenischen Gäste Dekanin Annah Nguvauva aus Botswana, Michael Yanogo (Direktor des Ökologischen Zentrums Albert Schweitzer) aus Burkina Faso, Bischof Abraham Hutasoit aus Indonesien sowie Dozent der Philosophie Fedotow Nikolajewitsch aus Russland, Ortspfarrer Michael Perko und Ökumenepfarrer Achim Dührkoop (Neuwied) in der Mitgestaltung der Liturgie auf das Thema. Ries legte seiner Ansprache das Wort vom Propheten Amos Kapitel 5, Vers 4 „Suchet mich, so werdet ihr leben“ zugrunde. “Gemeinsam wollen wir eintreten für eine Globalisierung sozialer Standards und dass der Mensch wieder Vorrang erhält vor Kapital und Produktionsmitteln. Gott hält für uns immer eine Möglichkeit mehr bereit als eine Ausweglosigkeit“, ermutigte er die Synodalen. Musikalisch gestalteten Olaf Dietz(Orgel),  Jürgen Hossbach (Trommel), Michael Perko (Keyboard) und Ralf Weimar (Gesang und Gitarre) den Gottesdienst. Zu den zahlreichen Gästen der Synode gehörten Propst Maichael Karg von der Propstei Nord-Nassau, Bürgermeister Jörg Ludwig (Solms), die Wetzlarer Superintendentin Ute Kannemann und Landeskirchenrat Hermann Wischmann von der Evangelischen Kirche im Rheinland

Bericht des Superintendenten Roland Rust
Aus dreifacher Perspektive blickte Superintendent Roland Rust in seinem Jahresbericht mit „Gott loben - der Gerechtigkeit dienen - Gesicht zeigen“ auf den Auftrag der Kirche. „Wir müssen das Evangelium nicht durch Großveranstaltungen oder ausgefeilter Methodik zur Geltung bringen, sondern ihm Raum geben auf seinem alltäglichen Weg. Es wird von selbst wirken“, betonte er. Zum Hauptthema der Synode bezog er Stellung: „Als in die Schöpfungs-verantwortung Eingewiesene können wir nicht unbekümmert Raubbau an diesem Planeten betreiben“, appellierte er und gab eine Zielrichtung an: Bewusstsein schärfen für die weltweiten Verflechtungen des eigenen Tuns, nicht nachlassen in den ökumenischen Partnerschaften, persönliche und gemeinschaftliche Konsequenzen ziehen und das Thema „Globalisierung und Armut“ im Bewusstsein halten.

Einen besonderen Akzent setzte Rust auf die Konfirmandenarbeit. Es gelte auch, seelsorglich in einem komplizierten Lebensabschnitt Weggefährte der jungen Menschen zu sein. Eine bestärkende Diskussion in der Synode hatte Rusts Votum zur Ökumene vor Ort ausgelöst. Zum Miteinander mit den katholischen Glaubensgeschwistern hatte er sich dankbar für die herzliche Gemeinschaft in der Region gezeigt. „Mir ist es nicht wichtig, welche Elemente uns nach Überzeugung der vatikanischen Glaubenskongregation   vermeintlich zum Kircheseins fehlen“, so Rust mit Blick auf das neuerliche Dokument aus Rom.
 

Referent Segbers: „Armen sind Maßstab“
Den Impuls zum Thema gab der Ethiker Franz Segbers (Uni Marburg) vor den 70 Synodalen. Mit der Globalisierung sei ein neues Zeitalter angebrochen: „Erstmals treten wir als eine Menschheit, als Gemeinschaft auf der Erde auf. Für die Ökonomen ist es die Freiheit der Konzerne, die Welt zu ihrem Vorteil zu nutzen. Je niedriger die Kosten für Sozialstandards oder Ökologie, desto besser für den Gewinn. Zwangsläufig entstehen so Verlierer und Gewinner“. Es sei das wirtschaftliche und das politische Projekt, die Welt dem ökonomischen Nutzen zu unterwerfen und alles zu Ware zu machen sowie den Kapitalismus weltweit auszudehnen. “Die Politik fördert durch Reformen wie Agenda 2010 die Globali-sierungstendenzen. Die Reichen sind reicher geworden. Armut ist kein Naturereignis, sie wird gemacht. Dafür, dass Deutschland wiederholt Exportweltmeister ist, müssen Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitslose und Arme Opfer bringen: Ihre Lebenschancen werden geopfert für die Wettbewerbsfähigkeit“, klagte Segbers. Mit derselben Logik plünderten die Menschen auch die Natur aus. “Entwicklungs- und Schwellenländer sind die Hauptleidtragenden des Klimawandels“, bedauerte er. Michael Yanogo aus Burkina Faso gestand hierzu in seiner Arbeitsgruppe: “Für uns Afrikaner ist die Globalisierung, wie sie jetzt geschieht, der größte Schock aller Zeiten.“

Segbers stellte den Synodalen das gerechte Konzept der Globalisierung vor: Der Prozess des Zusammenwachsens der Menschheit, der verpflichte, das Zusammenleben Aller in Gerechtigkeit und Solidarität zu organisieren. Segbers forderte den Widerstand der Kirchen zur Stärkung der Zivilgesellschaft „Aus biblischer Sicht sind die Armen der Maßstab. In biblischen Begriffen wird ein System der Anhäufung von Reichtum als Treuebruch gegenüber Gott gesehen“, mahnte Segbers. “Die christlich-jüdische Tradition orientiert sich im Nachdenken über Gerechtigkeit an der Perspektive für die Schwachen, deren Verletzlichkeit und Bedürftigkeit; die Stärke des Gemeinwesens bemisst sich am Wohl der Schwachen. Wir brauchen dringend globale Sozialstandards. Die Politik muss dem außer Rand geratenen Kapitalismus wieder Grenzen aufzeigen. Der Schlüssel zu einer gerechten Globalisierung ist der Sozialstaat.“

Die Synodalen diskutierten schon im Plenum und in Arbeitsgruppen mit den ökumenischen Gästen sowie mit Auslandspfarrer Lorenst Kuzatjike (Launsbach/Namibia), Johannes Lauber, Fairhandelberatung Marburg (zu „Handel“), Hans Seydel vom Diakonischen Werk, Frankfurt (zu Armut“), Pfarrer Klaus Breyer, vom Institut für Kirche und Gesellschaft, Iserlohn (zu“Klima“), Martina Wasserloos- Strunk als Mitglied Reformierter Bund, Mönchen-Gladbach (zu “Macht“) und Matthias Börner von der Ökumenischen Werkstatt, Wuppertal (zu „Kultur und Tradition“) .
 

Beschlüsse zum Thema “Gerechtigkeit vor Ort“
Selbst auferlegte Schritte beschloss die Synode dann: Im evangelischen Rentamt einen Kiosk mit fairer Ware aufzustellen; zu überprüfen, um wie viel die kreiskirchlich bereits bei Oikocredit für Fairen Handel angelegten Gelder aus Rücklagen noch erhöht werden können, um damit sinnvolle Kleinkredite in der Entwicklungshilfe zu unterstützen; alle Gemeinden zu motivieren, die Fair-Aktion „Kaffee in den Gemeinden“ auch in ihre Haushaltsführung einzubeziehen und in eine kirchliche Bildungsarbeit einzubinden. Nächste Schritte zur Arbeit an einer gerechten Globalisierung mit Einbindung der kreiskirchlichen Partnerschaften werden in einem Arbeitskreis beider Kirchenkreise im November bedacht.

BU.in der Burgsolmser Kirche v.l.n.r. Sergej Fedotow, Abraham Hutasoit, Ulrich Ries, Lorenst Kuzatjike, Achim Dührkoop, Anna Nguvauva, Michael Perko, Michael Yanogo und Roland Rust

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