Basisgruppe Brot für die Welt - TIKATO reiste ins Sahelland
Burkina Faso - Zwischen Aufbruch und Angst

"Ihr müsst auch mal den Bauern sagen, dass es nicht etwa Reiche sind, die aus Deutschland, der Schweiz, Holland und England spenden, sondern Menschen wie du und ich; oft verzichten Menschen - Alte und Junge - auch aus den Kirchenkreisen Braunfels und Wetzlar auf eine Mahlzeit, auf Kinobesuche und anderes, um unser Land mit zu entwickeln."

Das war ein kritisches Votum aus afrikanischem Mund auf der fünftägigen Konferenz beim Jubiläum "30 Jahre ODE" (Entwicklungshilfe - Organisation der Kirchen) in Ouagadougou. Die Hauptstadt von Burkina Faso ist innerhalb von acht Jahren von 700.000 auf 1,3 Millionen Einwohner gewachsen. Die auf dem Dorf perspektivlosen Jungen suchen Arbeit in der Stadt - ein oft sinnloses Unterfangen. Hinzu kommt, dass die Alten auf den Dörfern alleine bleiben, "vor sich hin sterben", wie es Bernadette Kabré, Projektleiterin bei der Schweizerischen Arbeiterwohlfahrt es formuliert.
 

Zu den 700 Gästen beim Jubiläum 30 Jahre ODE gehörten etwa 20 Partner aus Europa. Dabei waren auch Vertreter der Brot für die Welt- Basisgruppen TIKATO aus Braunfels / Wetzlar / Naunheim und aus Böblingen. Mit je vier Delegierten zeichneten sie mit eigener Beteiligung ein Bild kirchlichen Lebens in Deutschland und der Historie der Partnerschaft mit dem Sahelland Burkina Faso. Es ist noch immer das drittärmste Land der Erde, unabhängig von den Niederschlägen, konfrontiert mit dem Geldmangel für Regenrückhaltebecken und der fortschreiten- den Erosion. Hoffnungszeichen am Horizont: Einige Projekte beschäftigen sich mit der dauerhaften Landwirtschaft mit Methoden, die zum Beispiel vom CEAS - Centre Ecologique Albert Schweitzer- entwickelt worden sind. Hier wird durch Abdecken der Böden nach der Ernte mit Stengeln von Mais und Hirse Erosion verhindert - weil der Boden beschattet wird. Eine weitere Reduzierung der Erosion und des Regenwasserabflusses wird durch Steinwälle als Begrenzung der Felder erreicht. Wenn dies im ganzen Land flächendeckend geschafft werden könnte - Burkina wäre in Kürze kein Land mehr am unteren Level der Statistik und die Menschen könnten längst das tun, worum sie täglich kämpfen - ihr Land ent- wickeln. Doch es fehlen die finanziellen Mittel.

Revolutionär in der Landwirtschaft ist die Herstellung von Insektiziden; Blätter und Nüsse des Neem-Baumes verarbeiten die Bauern selbst zu Insektenbe- kämpfungsmitteln, die kosten kein Geld, sind biologisch abbaubar. Revolutionär ist es auch, Kompost für Felder herzustellen. Kunstdünger ist viel zu teuer, belastet die Umwelt und führt nach Ernte-Hocherträgen zu einem Frucht- barkeitsverlust des Bodens. Durch starke Sonneneinstrahlung ist die Oxidation des Humus sehr viel intensiver als in Europa. Komposthügel und Kompostgruben erhöhen die Fruchtbarkeit der Erde und ermöglichen eine dauerhafte Bewirt- schaftung der Felder - die Zeit der Brache (traditionell bis zu 12 Jahren nötig) ist dann vorbei.
 

Alternative Märkte entwickeln sich. So erlebten die Vertreter aus der rheinischen Kirche die Einweihung eines Zentrums "Herstellung von Mangoessig". Durch Trocknung in einfachen, von Dorfschlossern hergestellten Trockungsanlagen mit Sonnenstrahlen oder mit Gas beheizt, werden einheimische Früchte konserviert.

TIKATO wird solche integrativen Landwirtschafts-Projekte im Jahr 2003 durch ihre über die hessischen Grenzen hinaus bekannte Aktion "Brückenschlag Wetzlar - Ouagadougou" finanzieren.

Hauptthema der Konferenz war "Wie lässt sich eine dauerhafte Entwicklung in einer instabilen Welt verwirklichen?" In Fachvorträgen wurden einerseits die menschlichen und andererseits die natürlichen Ursachen der Situation im Sahel (= Ufer der Wüste) erläutert.

Dr. Wilhelm Wilmers aus Wetzlar, nahm letzteres in den Blick: Aus Niederschlagsstatistiken ergibt es sich, dass die Niederschläge im Sahel nach wie vor defizitär sind, lediglich von einzelnen guten Jahren abgelöst. Fast 600 Menschen verfolgten mit großem Interesse seinen Ausführungen über die Sahelkatastrophe während der 70er und 80er Jahre, die sich nur wenig gemildert bis heute fortsetzt, bei 40 Grad Hitze unter einem Hangar. Obwohl es in Burkina Faso ("Land der aufrechten Menschen") mehr als in Deutschland regnet, ist der Trockenheit, Dürre und Hungersnot nur mit Staudämmen und kleinen Regenwasser-Rückhaltebecken für Hirse, Baum- und Strauchanbau und Pflege des Humusbestandes entgegen zu treten.
 

Die menschlichen Defizite wurden von Einheimischen selbst und von ICO (Hilfsorganisation Holland) angesprochen. Sich einmischen in die Politik, die Probleme beim Namen nennen bei der Regierung, die Rolle der Frau stärken ("sie haben mehr Weitblick als wir Männer"). Dass die in Deutschland geplanten Strukturveränderungen zum Beispiel bei Brot für die Welt und dem neu, aus dem Zusammenlegen von EZE (Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe), KED (Kirchlicher Entwicklungsdienst und dü (dem Personaldienst Dienste in Übersee) entstandenen EED (evangelischer Entwicklungsdienst) und die von einzelnen Vertretern angedeutete Neuausrichtung der Arbeit die hoffnungsvolle Entwicklung in Burkina Faso enorm bremsen können und außerdem die gewachsenen menschlichen Beziehungen zwischen Nord und Süd aufs Spiel gesetzt werden.

können, war Inhalt sorgenvoller Gespräche von Delegierten aus Europa am Rande. Eine Arbeitsgruppe der Vertreter der Partner aus dem Norden während der Konferenz, formulierte folgende Fragen: "verträgt es sich mit Partnerschaft, wenn man den Partner in einer schwierigen Phase verlässt"? Und ist "verlässliche Partnerschaft nicht auch eine wichtige Voraussetzung für eine dauerhafte Entwicklung"? Zweifelsohne ist ODE jetzt in einer schwierigen Phase, weil mit dem Ausscheiden des Leiters Pasteur Samuel Yameogo ein Generationswechsel eingeleitet wird. Andererseits, weil der Strom von Flüchtlingen aus der Elfenbeinküste bereits eingesetzt hat und ein großes Ausmaß annehmen kann (bis zu einem Drittel der derzeit in Burkina Faso Lebenden sind zu erwarten). Wie alle Hilfsorganisationen muss ODE sich dieser Aufgabe stellen.

 

Noch hoffen TIKATO-Gruppen und die vielen Menschen an der Basis, dass es nur ein Gerücht ist, dass Burkina Faso die Beteiligung mindestens stark zurückgefahren werden soll, nachdem man 30 Jahre lang investiert hat. Entwicklungshilfe braucht in einem solch benachteiligten Land einen langen Atem. TIKATO hat in 29 Jahren 113 Projekte für Brot für die Welt mit finanziert, hat Tausende von Menschen an der Lahn sensibilisiert, motiviert und eine positive Spendermentalität erreicht. Außerdem - sollten Kleinprojekte künftig tatsächlich gestrichen werden, wie über die von den Geldgeberorganisationen geforderte Neuorientierung des ODE kolportiert wurde, dann werden auch Menschen bei ODE entlassen werden müssen. Menschen, die oft mehr als 15 Familienmitglieder aller Generationen zu versorgen haben.
 

Ganz abgesehen davon, dass es dann den kleinen Aktivgruppen, die sich überall im Lande bilden, noch schwerer wird, die meist nur kleinen Startsubventionen zu bekommen, auf die sie angewiesen sind. Ob die großen Organisationen das auch im Blick haben? Oder bleibt der Blickwinkel vom Schreibtisch aus nur auf Statistiken haften? Den Menschen an Lahn und Dill jedenfalls wäre nur schwer zu erklären, wenn das Engagement in Kleinprojekten für Burkina Faso plötzlich beendet oder drastisch zurückgefahren werden sein soll. Der ODE braucht verlässliche Partner - dahinter will auch nicht TIKATO zurück!
 

Viele haben längst persönliche Beziehungen aufgebaut, haben von Tauf- bis Beerdigungskollekten über Basare und Großaktionen Scherflein um Scherflein zusammengelegt und afrikanische Gäste in Gemeindehäusern und eigenen Wohnzimmern beherbergt. Es ist eine Freundschaft entstanden. Eine christliche, menschliche Beziehung über Kontinente hinweg - in der Nachfolge Jesu.
 

Zu aller Sorge um die Zukunft kommt noch die Angst vor dem Krieg mit der Elfenbeinküste hinzu. Drei Millionen Burkinabé arbeiten seit Generationen dort. Viele sind schon geflohen aufgrund der Todesgefahr durch die Rebellen. Täglich werden neue Massengräber entdeckt, in Brunnen, auf Bächen... Pfarrer dürfen in manchen Gebieten seit drei Wochen ihre Häuser nicht mehr verlassen.

Burkinas Lage verschlechtert sich. Mehr Flüchtlinge bedeuten mehr Arbeitslose, das Wenige mit noch mehreren zu teilen. Die Kirchen in Burkina kratzen Spenden zusammen, um wenigstens für den Anfang gewappnet zu sein. Von Naunheim (hessische Kirche) konnte eine Spende beim ODE gelassen werden wie auch von den Kreissynodalvorständen Braunfels und Wetzlar für Medikamente für Aidskranke. Mehr als zehn Prozent aktuell - und täglich steigt die Rate. Kinder werden schon HIV-positiv geboren. Und hier gilt in besonderem Maße: "Wenn du arm bist, musst du früher sterben."
 

Kirchliches Leben

Wer die Spiritualität, die tiefe Frömmigkeit, die Fröhlichkeit in den Gottesdiensten, die lebendige Evangelisation der evangelikalen Kirchen in Burkina erleben kann, spürt plötzlich, was ansteckender Glaube sein kann, wird mitgerissen und findet auch freie, spontane Gebete natürlich und nicht aufgesetzt, ja lebensnotwendig.

Dass Pfarrer Samuel Yameogo von der burkinischen Regierung mit dem höchsten Staatsorden für sein kirchliches Lebenswerk "30 Jahre Entwicklungshilfe" ausgezeichnet wurde, berührte Schwarze und Weiße gleichermaßen. Er, der immer den Menschen im Ganzen im Blick hat, begann vor 30 Jahren mit seinem eigenen mageren Einkommen eines Dorfschullehrers das Werk aufzubauen. Er blieb dabei immer der Seelsorger für seine Gemeinde und seine Freunde und er hat auch in Wetzlar an manchem Sterbebett gebetet und TIKATO-Leuten Trost gespendet. Und so sangen Menschen zweier Kontinente unter dem Trommelwirbel traditioneller Klänge gemeinsam ein Loblied zur Ehre Gottes und Dank für seine Gnade im armen Burkina Faso und im - relativ - reichen Europa.

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